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Aus meinem Bücherregal

Kohl-Witze   –   Erklärt ihm die Pointe nicht!


— Neigungen —
»Der MAD hat festgestellt, daß Kohl in Intellektuellen-Lokalen verkehre.«
»Kann doch nicht wahr sein!«
»Sagt der Kanzler auch: Er bestreitet entschieden, intellektuell zu sein
oder jemals Neigungen solcher Art gehabt zu haben.«

Die 1980er-Jahren waren eine sehr politische Zeit: Nato-Doppelbeschluß mit Pershing-II-Stationierung, Friedensbewegung und Ostermärsche, Atomstrom-Debatte, Umweltpolitik, Frauenbewegung, Volkszählung.

Hinzu kam auch noch die Lesben- und Schwulenbewegung sowie die Kießling-Affäre, auf die die Formulierungen in dem oben zitierten Kohl-Witz anspielen. Es war die mangelhafte Ermittlungsarbeit des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), die schließlich als eine wesentliche Komponente der Kießling-Affäre erkannt wurde.

Und ich war als Teenager quasi mittendrin, habe die Geschehnisse über Radio und Fernsehen, über Zeitungen und Zeitschriften mitbekommen. Meine Mutter las täglich die Ruhr-Nachrichten, mein Vater hörte viele Wortbeiträge im Radio, die wöchentlich erscheinenden Zeitschriften Spiegel und Stern lagen häufig bei uns im Wohnzimmer.

So bin ich aufgewachsen in der Hochphase des Kalten Krieges zwischen Ost und West, habe die deutsche Teilung verinnerlicht, habe den Wechsel der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl durch das Auseinanderbrechen der sozial-liberalen Koalition und das konstruktive Misstrauensvotum in den Nachrichten miterlebt.

Die 1980er-Jahre waren, zumindest zu ihrem Beginn, auch die Zeit einer neuen Musikrichtung: Neue Deutsche Welle. Mit frechen deutschen Texten wurde die heile Welt der Schlagermusik veralbert, es wurden umweltpolitische
Themen besungen oder in satirischen Texten der mögliche dritte Weltkrieg thematisiert.

Wenn im Canale Grande
U-Boote vor Anker gehn
und auf dem Petersplatz in Rom
Raketenabschußrampen stehn,
über'm Basar von Ankara
ein Bombenteppich schwebt,
und aus den Hügeln des Olymps
sich eine Pershing II erhebt.

Dann ist alles längst zu spät,
dann ist, wenn schon nichts
mehr geh-he-he-he-het,
besuchen Sie Europa,
solange es noch steht.

(Geier Sturzflug:
Besuchen Sie Europa, 1983)

Die lange Kanzlerschaft von Helmut Kohl, sein eher behäbiges Auftreten, seine mangelnden Kenntnisse der englischen Sprache und die kontroversen Positionen im Ost-West-Konflikt machten den Bundeskanzler auch zur Zielscheibe vieler Witze.

— Esperanto —
Kanzler Kohl ist das Spotten über seine fehlenden Sprachkenntnisse leid.
Er lernt jetzt Esperanto – und freut sich, dort mal Urlaub zu machen.

— Algebra —
Kohl fragt ein kleines Mädchen, was es denn so lernt in der Schule.
»Jetzt haben wir ganz neu Englisch, Französisch und Algebra dazugekriegt.«
»Oh, toll«, sagt Kohl. »Weißt Du auch schon, was ›Guten Tag‹ auf Algebra heißt?«

— Krise —
Warum kommt Kohl in fünf Jahre in eine schwere persönliche Kriese?
Weil er dann die Witze über sich verstanden hat.

Bei aller Ernsthaftigkeit des Kalten Krieges, der Angst vor dem atomaren Erstschlag oder der Vernichtung unserer Lebensgrundlagen durch weitere Umweltzerstörung war die Bundespolitik doch auch durch eine gewisse Lockerheit ausgezeichnet: Arbeitsminister Norbert Blüm trat bei Rudi Carell im Fernsehen auf, prägte den Satz "Spaß muß sein" und nahm mit großer Freude den "Orden wider den tierischen Ernst" des Aachener Karnevalsvereins entgegen. Außenminister Hans-Dietrich Genscher ließ eine Karrikatur mit seinen riesigen Ohren das offizielle Briefpapier des Auswärtigen Amtes zieren, um damit Humor und Bürgernähe zu zeigen.

Kohl-Witze kursierten damals in großer Zahl. Zum Teil hatten sie tatsächlich einen politischen Inhalt, zum Teil hätte man sie aber genauso auch über jede andere Person erzählen können.

Dabei sind die Witze über den Bundeskanzler Helmut Kohl durchaus eine Besonderheit. Weder über seine Vorgänger Willy Brandt und Helmut Schmidt noch über seine Nachfolger Gerhard Schröder und Angela Merkel wurde so viel gespottet. Lag dies ausschließlich an der besonderen Zeit der 80er oder gab die Person Helmut Kohl besonderen Anlaß für Witze und Gemeinheiten?

In meinem Video reise ich nicht nur zu dem von Geier Sturzflug besungenen Canale Grande (der tatsächlich "Canal Grande" heißt), um mich davon zu überzeugen, daß hier doch noch keine U-Boote zu sehen sind, sondern stelle auch ein Buch mit einer stattlichen Sammlung von Kohl-Witzen vor, das
nicht nur an die Kanzlerschaft von Helmut Kohl, sondern auch an viele andere Persönlichkeiten der damaligen politischen Zeit erinnert.

Der Autor Wolfgang Günther Fienhold sammelte bereits Anfang der 80er zahlreiche Kohl-Witze und veröffentlichte diese 1984 als Buch im Eichborn-Verlag, auch bekannt unter dem Namen "Der Verlag mit der Fliege". Er wählte dabei das Pseudonym "Heidi Fienhold", unter dem man das Buch auch heute noch in Verzeichnissen antiquarischer Bücher findet. Immerhin hatte er sich unter seinem Namen Wolfgang G. Fienhold bereits als Autor ernsthafter gesellschaftskritischer Literatur etabliert. So stammt die Romanvorlage des erfolgreichen Films "Die flambierte Frau" von Wolfgang Günther Fienhold.

Das Titelbild des Buches "Kohl-Witze" vereint gleich zwei Politiker, die damals die Bundesrepublik Deutschland polarisierten und über die zahlreich gespottet wurde: Helmut Kohl im Titel und Franz Josef Strauß im Bild mit der Sprechblase "Erklärt ihm die Pointe nicht". Helmut Kohl (CDU) und Franz Josef Strauß (CSU) waren lange Zeit Konkurrenten innerhalb der Unionsparteien, beide waren früher Bundesminister und beide wollten Bundeskanzler werden, doch nur Helmut Kohl wurde tatsächlich Bundeskanzler, während Franz Josef Strauß als Ministerpräsident von Bayern dort quasi der Lokalfürst blieb.

Aber die Witze-Sammlung ist auch eine Begegnung mit zahlreichen anderen Politikern: Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, gegen den damals gerade Ermittlungen wegen der Flick-Affäre liefen, Außenminister Hans-Dietrich Genscher der von der Regierung Helmut Schmidt nahtlos in die Regierung Helmut Kohl gewechselt war, Familienminister Heiner Geißler,
Finanzminister Gerhard Stoltenberg, der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen Rainer Barzel und natürlich Helmut Kohls Ehefrau Hannelore Kohl tauchen darin immer wieder auf. Ab und zu kommen neben den Politikern andere Prominente vor.

— Post —
Auf einem Literatenempfang
sagt Günter Grass zu Kohl:
»Haben Sie gehört, daß man erst kürzlich wieder Briefe Goethes an die Frau von Stein gefunden hat?«
Kohl entrüstet:
»Aber dafür können Sie doch Schwarz-Schilling nicht verantwortlich machen!
Die müssen noch zu Gscheidles Zeiten abgeschickt worden sein.«

— Jenseits —
Kohl kommt ins Jenseits.
Petrus ordnet an:
»Melde Dich bei den Bodenreinigern.«
»Was?? Ich als Staatsmann?
Was macht denn der Reagan?«
»Der ist Stallbursche.«
»Und Maggie Thatcher?«
»Fegt die Straßen.«
»Entsetzlich. Gibt es denn
gar keine Hoffnung?«
»Nicht, solange Strauß in der Schreibstube sitzt!«

— Kartoffeln —
Kohl unterhält sich mit Ignaz Kiechle
über die Probleme
der deutschen Bauern.
Gerade sind die bei
den Kartoffelpreisen angelangt,
da sagt Kohl:
»Ich wunder mich sowieso, warum die Bauern immer noch so viele Kartoffeln anbauen.
Die meisten Leute essen doch heute Pommes frites oder Fertigpüree.«

Als Vertreter der internationalen Politik begegnem dem Leser der amerikanische Präsident Ronald Reagan, der Staatschef der Sowjetunion (UdSSR) Konstantin Tschernenko und die Premierministerin des Vereinigten Königreichs Großbritannien Margaret Thatcher.

Denn die 80er waren nicht nur die Zeit des Kalten Krieges, in dem sich Ronald Reagan und erst Leonid Breschnew, kurzzeitig Juri Andropow, dann Konstantin Tschernenko, schließlich Michail Gorbatschow gegenüberstanden, sondern auch die Zeit der Liberalisierung der Märkte. Auf die Achse Reagan-Thatcher geht die Welle der Privatisierung ehemaliger Staatsunternehmen im Bereich von Post, Telekommunikation und Eisenbahn in den 1980er- und 1990er-Jahren in Europa zurück.

Somit ist die Vorstellung des Buches "Kohl-Witze" von Wolfgang Günther alias Heidi Fienhold in meinem Video auch eine Zeitreise in die politische Landschaft der 1980er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland, eigentlich sogar in ganz Europa.

Und wenn es wirklich nötig ist,
dann will ich nicht so sein.
Dann lagert noch Plutonium
in meinem Keller ah-ah-ein.

(Geier Sturzflug:
Pure Lust am Leben, 1984)

Verwandte Themen: 100 Jahre Rewe, Fernsehen 1954, Denkender Falk-Plan, Pride Telecom



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